Katrin von Lehmann arbeitet an der Schnittstelle von Kunst und Wissenschaft, wobei sie stets die Praxis des Zeichnens erweitert. Die Serie der Proxy-Zeichnungen ist Teil des 2015 begonnenen Projekts Leerstelle des Unbekannten/Nichts stimmt mehr.

Im Rahmen dieses Projekts adaptierte von Lehmann Methoden der Naturwissenschaften – festgelegte Verfahren und Regelwerke – um das ihr eigene Medium der Zeichnung neu aufzurollen. Sie fragte sich: Gelange ich zu neuen oder anderen Bildern, wenn ich diese Vorgehensweise über einen langen Zeitraum praktiziere?

Für die von ihr entwickelte Proxy-Zeichen-Technik limitiert von Lehmann die zeichnerische Tätigkeit auf einfache, sich wiederholende, schnelle Bewegungen der rechten und linken Hand. Die Auswahl der zu nutzenden Farben entfällt, da alle Buntstifte eines Kastens in einer zufälligen Reihenfolge verwendet werden. In dieser Engführung des Tuns tut sich eine schier unendliche Anzahl von Möglichkeiten auf; die Wahrnehmung wird in der Wiederholung sensibel für Nebensächliches und neue Beobachtungen fließen in Entscheidungen für das weitere Vorgehen ein.

Durch die Proxy-Zeichen-Technik werden sowohl für die Künstlerin während des Produktionsprozesses als auch für die Betrachter*innen einzelne Linien und Bewegungen sichtbar, andere gehen in einem dichten Konglomerat an Farben auf und lassen kaum einen Anfangsoder Schlusspunkt erkennen. Die körperliche Arbeit der Künstlerin, der performative Prozess der Produktion, tritt im sich verändernden Duktus und in den unterschiedlichen Schwüngen der einzelnen Linien hervor.

Die Technik der perforierten Zeichnungen, die Katrin von Lehmann für die Arbeiten der Reihe Blick auf Vielfalt anwendet, entwickelte sie in der Auseinandersetzung mit dem Thema eine Wissensgeschichte der menschlichen Vielfalt im 20. Jahrhundert während eines Arbeitsaufenthalts am Berliner Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte in den Jahren 2012/2013.

In Symposien, Gesprächen und Texten bemerkte von Lehmann, dass in den einzelnen Untersuchungen bestimmte partielle Aspekte des Menschen erforscht werden, aber selten ein Zusammenhang zum gesamten Menschen hergestellt wird. Davon ausgehend werden in dieser Serie Bereiche der auf der Rückseite befindlichen Zeichnung durch die Perforierung sichtbar gemacht.

Katrin von Lehmann wurde 1959 in Berlin geboren. Sie studierte an der Akademie der Bildenden Künste in München. Seit einem Arbeitsstipendium des Wettermuseums Lindenberg in Brandenburg im Jahr 2009 hat von Lehmann die Zusammenarbeit mit wissenschaftlichen Instituten zum Kern ihrer künstlerischen Praxis gemacht. Ihr Fokus richtet sich seitdem auf die epistemologische
Forschung in Wissenschaft und Kunst.